München, sagt Edith, ist ein Ort, dort kommt man schnell weg und einfach wieder zurück. Wie hier: Einfach mal einen Tag an den Ammersee. Dort nutzt sie Zeit und Umgebung, um Nachzudenken und den Kopf frei zu kriegen. Oder eben um hier ein paar Fotos von ihrer Freundin Judith Nagel zu machen. Bei der Gestaltung lässt sie dem Model freien Lauf, sie möchte nichts diktieren. Sie wartet am liebsten ab, was passiert - und drückt in dem Moment ab, in dem im Bild Ehrlichkeit und eine gewisse Hässlichkeit am besten ihren Ausdruck finden.
Ausdruck, so kann man wohl sagen, ist etwas, worauf Edith Buttingsrud Pedersen Wert legt, etwas, das sie schätzt. Ob nun als zeitgenössische Tänzerin oder eben nebenbei als Fotografin sind es die Emotionen der Menschen, die sie am liebsten darstellt. In Dänemark aufgewachsen kam die inzwischen 23-Jährige vor sechs Jahren zum Studium nach München und lebt seither hier, wenn sie nicht gerade anderswo in Europa arbeitet.
Sie versucht ihre Bilder so zu gestalten, dass der Betrachter auch das Vor- und Nachher der Bewegung erahnen kann – obwohl doch eigentlich nur ein einziger Moment abgebildet ist. Das fasziniert sie. Das fordert sie heraus. Und deshalb hat sie auch mit der Fotografie angefangen. Zu Beginn mit einer alten Pentax analog hat sie einfach ausprobiert und experimentiert.
Süddeutsche Zeitung, photo of the week. Autor: Doro Merkl http://www.sz-jugendseite.de/edith-buttingsrud-pedersen-ammersee/
Die Dänin Edith Buttingsrud hat in München Tanz studiert. Sie mag die Stadt und wird doch immer wieder reisen müssen. Denn neben dem Tanz versucht sie sich auch in anderen Bereichen - zum Beispiel als Opernchoreographin in Kopenhagen.
Oper, das sei wie Mathematik, sagt Edith. Jede Bewegung, jede Regung, sei geplant, minutiös einstudiert. Edith Buttingsrud Pedersen ist Tänzerin, keine Opernsängerin. Doch mit 24 Jahren begibt sie sich gerade auf die Suche nach neuen Möglichkeiten, neuen Beschäftigungen – neben dem Tanzen. Und so kehrte sie zu Beginn des Jahres aus ihrer Heimatstadt Kopenhagen zurück nach München. Im Gepäck: die ersten Erfahrungen als Opernchoreographin.
Ediths Tänzerkarriere fing früh an wie wohl bei den meisten ihrer Kolleginnen. Mit drei beschloss sie, Tänzerin zu werden, das Kindertanzen war ihr zu wenig fordernd, sie wollte ins Ballett. Mit sieben stand sie das erste Mal bei einer professionellen Vorstellung auf der Bühne, als Kind des Teufels. Bei jedem Auftritt hatte sie Angst vor ihrem geschminkten Gesicht, getanzt hat sie trotzdem. Wunsch und Wille, so weiß sie es aus Erzählungen ihrer Mutter, kamen immer aus ihr selbst: „Ich wurde von niemandem gepuscht.“ Und nach kurzem Überlegen fügt sie an: „Es wäre aber auch komisch gewesen, wenn ich etwas anderes gemacht hätte – etwas nicht Künstlerisches.“ Denn: Edith kommt aus einer Künstlerfamilie. Die Mutter mal Sängerin, mal Schauspielerin oder Dokumentarfilmerin, der Vater Musiker und Komponist. Als Baby schlief sie im Operngraben.
Während sie das erzählt, sitzt sie in der Küche ihrer Münchner Wohnung, die rötlichen Haare offen, ihr Lächeln verrät eine kleine Zahnlücke zwischen den Schneidezähnen. Mit siebzehn Jahren kam sie hierher, studierte an der Iwanson International School of Contemporary Dance. Heute arbeitet sie als freie Künstlerin in verschiedenen Projekten. Sie empfindet München als ihren Ruhepol, aber sie weiß, dass sie flexibel bleiben und immer wieder reisen muss. Wer so früh das Zuhause verlässt, wird der schneller erwachsen? Edith zögert. „Wenn man tanzt, arbeitet man viel mehr mit sich selbst, als vielleicht andere Menschen. Man ist ständig in Konfrontation mit seinem Körper. Ich muss immer an mir arbeiten, weil ich mich darstelle. Vielleicht wirst du davon erwachsen.“
Wenn sie erzählt, wirkt sie tatsächlich oft sehr reif und vernünftig, auch wenn sie auf den ersten Blick aussieht, als sei sie einem Astrid-Lindgren-Kinderbuch entsprungen, mit dem verschmitzten Lächeln und den großen Augen. Das Tanzen ist noch immer ihr Traumberuf und ein Leben ohne Tanzen, sagt sie, könne sie sich nicht vorstellen. „Doch ich merke, dass ich älter werde“, erklärt sie, „und mein Körper einen Ausgleich sucht“. Auch ihre Interessen seien breiter geworden, „ich finde mehr Dinge spannend“. Diesen Ausgleich erkundet sie gerade in der Fotografie, übernimmt kleine Shootings für Freunde. Oder eben in der Choreographie.
Die Stelle in Kopenhagen bekam sie über ihren Vater. Es war das erste Mal, dass sie nach ihrem Umzug nach Deutschland wieder in Dänemark arbeitete. Jeden Tag saß sie bei den Proben der Oper „Alverden God Nat“, achtete auf Gestik und Mimik, sprach sich mit dem Regisseur ab und übertrug ihre Vorstellungen auf die Körperhaltung der Sänger und Sängerinnen. Manche auf der Bühne kannten sie noch aus ihrer Kindheit, doch ihre neue Rolle war für sie und Edith selbst ungewohnt. „Es ist eine ganz andere Form zu arbeiten“, sagt sie. Alles dauere länger, es sei viel reden, viel sitzen. Doch letztendlich sei der Job ein Erfolg gewesen. So versucht sie ihre ersten Schritte, nach gut 20 Jahren Tanz in anderen Bereichen. Wird sie irgendwann ganz von der Bühne gehen? „Ich habe schon mit einer Tänzerin getanzt, die war 85, und die hat ihre junge Kollegin noch heben können.“
Foto: N. Crepea / oh Süddeutchezeitung, 2014 Autor: Doro Merkl